In dem oben angeführten Zitat bringt der Erzähler Gerhard Köpf in seinem Roman Die Strecke die Fruchtbringende Gesellschaft (FG)2 ins Spiel, um seine Kritik an ihrem vermeintlichen pedantischen Purismus im Grunde in eine Kritik am ,faschistischen Reinheitswahn‹ (Elfriede Jelinek) zu überführen. Dabei bedient er ein in der Vergangenheit eifrig bestricktes, von ihm durchaus sympathisch befochtenes, tatsächlich aber völlig einseitiges und in die Irre führendes Vorurteil, das in der FG eine puristische, xenophobe Vereinigung zur Rettung der deutschen Sprache vor ›Überfremdung‹3 und damit das Gegenteil einer Gesellschaft abkonterfeite, die, zumindest in ihren ersten Jahrzehnten, Bestandteil der europäischen Kultur-Avantgarde war und das Fremde gerade zum Muster nahm – wie schon im Sinnbild des universal nützlichen Palmbaums und der Gesellschaftsdevise ‚Alles zu Nutzen‹. Wiederholt wurde jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass die FG in ihrer Blütezeit vermocht habe, »die kulturelle Borniertheit, die verrufene Provinzialität und lokale Isolation der deutschen Literatur ein gutes Stück zu überwinden«.4 Freilich haben bereits zeitgenössische Darstellungen der FG, der Teutsche Palmbaum (1647) von Carl Gustav von Hille (FG 302) und v. a. der Neu-Sprossende Teutsche Palmbaum (1668) von Georg Neumark (FG 605)5 die »Idee der Parität als Assoziationsgrundsatz der Fruchtbringenden Gesellschaft zugunsten einer Rehierarchisierung« aufgegeben6 und aufgrund ihrer die Rezeption der FG prägenden Rolle ein Stück weit dazu beigetragen, die ursprünglichen Ziele und die tatsächliche Wirksamkeit der FG durch zeremonielle Überhöhung und puristische Sprachideologie zu verdunkeln, was sich seinerseits gewandelten historischen Bedingungen im großen Umfeld der Herrschaftsverdichtung im sich herausbildenden absolutistischen Verwaltungsstaat verdankte. Indessen wurde jenes Zerrbild fruchtbringerischer ›Sprachpuristerey‹ von der jüngeren Forschung gründlich abgedankt. Doch wenn die FG nicht die ›Sprach(reinigungs)gesellschaft‹ war, als die sie seit 1824 mit Otto Schulz galt7, was war sie dann? Eine »spielfreudige Vereinigung« von ebenso beflissenen wie sympathisch-harmlosen »Sprachverrückten«?8 Vielleicht gar nicht so weit entfernt von einem »aristokratischen Club«, dessen Mehrheit »mehr auf einen gemüthlichen Kneipconvent« ausgewesen sei, als »auf eine gesetzgebende Versammlung für Sprache und Litteratur«?9 Eine Vereinigung, deren hoher Anteil von »illiterati« ihren Programmentwurf zur Verbesserung von Sitten und Landessprache zu einem personell »ungedeckten Anspruch« werden ließ, die aber auch in ihren »ursprünglich politischen Bestrebungen« scheiterte und stattdessen kompensatorisch in den Sprach(helden)krieg zog?10 Oder ist die FG als eine deutsche Renaissance-Akademie nach italienischen Vorbildern anzusehen, die die politisch-sozialen Führungsschichten unter partiellem Einschluss der Gelehrten in einer »freieren, den eigenen Zielen ohne territoriale, ständische, konfessionelle oder politische Beschränkung dienenden Assoziation« versammeln wollte?11 War sie ein »spiritueller Bund«, der sich um das Köthener Gesellschaftsbuch12 wie um die Bundeslade versammelte und sich mit dem nachträglich behaupteten Gründungsjahr 1617 in die 100-jährige Tradition der Reformation und mit dem 24. 8. möglicherweise sogar in die religiös und politisch bedeutsame Nähe des an diesem Tag gefeierten Apostels Bartholomäus und der Bartholomäusnacht stellte?13 War sie gar »symbolisches Zentrum eines antihabsburgischen Militärbündnisses«,14 ideologischer »Überbau « zur politisch-militärischen Mobilisierung protestantischer Reichsstände im Kampf »gegen die kaiserlich-katholische Hegemonie«?15