Der Beitrag diskutiert die Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich für die soziologische Forschung zu sozialen Ungleichheiten aus einer stärkeren Berücksichtigung genetischer Variation ergeben. Im Vordergrund steht dabei der Umstand, dass Eltern auf ihre Kinder nicht nur soziale Vorteile und Benachteiligungen übertragen, sondern auch eine bestimmte genetische Ausstattung. Darüber hinaus werden Implikationen für die Interpretation von Bildungsabschlüssen als „meritokratisch legitimen“ Zuweisungskriterien, die Forschung zur Kumulation von Vorteilen im Lebenslauf sowie die Operationalisierung von Verwirklichungschancen diskutiert. Wesentliches Ergebnisse dieser Diskussion ist, dass die Berücksichtigung genetischer Variation in Ungleichheitsanalysen nach dem interdisziplinären Stand der Forschung zunehmend notwendig wird, um zu kausalen Deutungen zu gelangen, die über die Soziologie als Wissenschaftsdisziplin hinaus anschlussfähig sind. Diese Notwendigkeit muss für die Soziologie keine Bedrohung darstellen, sondern kann ihr neue Forschungsfelder eröffnen. Schließlich wird umgekehrt innerhalb der Verhaltensgenetik immer deutlicher, dass diese auf soziologische Expertise angewiesen ist, um Wechselwirkungen zwischen Genom und Umwelt adäquat einschätzen zu können.