Vorgeschlagen wird, die ‚Philosophische Anthropologie‘ als eine dritte Position in der sich neu formierenden deutschen Nachkriegssoziologie zu beobachten. Inspiriert durch die im Schelerschen Theorieprogramm einer ‚Philosophischen Anthropologie‘ miteinander verbundenen Denker Helmuth Plessner und Arnold Gehlen, die beide von der Philosophie zu soziologischen Lehrstühlen wechselten, entwickelte sich (trotz der persönlich-akademischen und politisch- biografischen Divergenzen zwischen den Hauptprotagonisten) ein Netzwerk von Soziologen (Schelsky, Bahrdt, Popitz, Claessens et al.), die die Grundannahmen der ‚Philosophischen Anthropologie‘ teilten und aus dieser Voraussetzung die soziologische Forschung in Schlüsselthemen der bundesrepublikanischen Soziologie dominierten (Technik- und Industriesoziologie, Familiensoziologie, Stadtsoziologie, Soziologie der Macht etc.). So gesehen, war die Theorie der ‚Philosophischen Anthropologie‘ in der deutschen Soziologie bis Mitte der 1970er Jahre möglicherweise ebenso einflussreich wie die Frankfurter Schule (Horkheimer, Adorno) oder die Kölner Schule (René König). Nicht zuletzt entwickelten sich die beiden großen originären Theorieprojekte der westdeutschen Soziologie bei Habermas und Luhmann als Transformationen von Konzepten der ‚Philosophischen Anthropologie‘.